Über 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu einem Workshop nach Frankfurt, um sich über aktuelle Trends und Innovationen rund um PVC und Nachhaltigkeit zu informieren. Die gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V. (AGPU) und PlasticsEurope Deutschland e.V. zweimal jährlich organisierte Zusammenkunft der PVC-Branche stand diesmal ganz im Zeichen von Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Kunststoffrecycling. Referenten aus der Industrie, der Architektur und der Forschung betrachteten dabei das Titelthema „PVC und Umwelt“ aus verschiedenen spannenden Blickwinkeln.
Zum Einstieg in den Workshop lieferte Thomas Hülsmann (Foto 1), Geschäftsführer der AGPU, aktuelles zum Markt und zu Nachhaltigkeitsaspekten von PVC. Wichtigster Markttreiber sei weiterhin der Bausektor, der stark von der allgemein positiven Wirtschaftsentwicklung in Deutschland profitiere. Ein wichtiges Thema für die PVC-Industrie sind die anhaltenden Nachhaltigkeitsdiskussionen in Europa: VinylPlus, die Selbstverpflichtungsinitiative der Branche, sei auf solche und ähnliche Debatten die europäische Antwort, wie Hülsmann erklärte, mit der äußerst erfolgreich über 600.000 t PVC pro Jahr als Kabel, Folien, Bodenbeläge, etc. gesammelt und einem Recycling zugeführt würden. Instrumente wie Rewindo für das Recycling von Kunststofffensterprofilen oder der PVC-Recyclingfinder, in dem etwa 70 Recycler zusammengefasst seien und der schon bald auch auf Englisch und Italienisch verfügbar sei, seien wichtige Pfeiler zum Erreichen dieser eindrucksvollen Zahlen. Auch die regelmäßig gemeinsam mit PlasticsEurope durchgeführte PVC-Stoffstromanalyse mit Zahlen zur Herstellung, Verarbeitung und Verwertung von PVC zielt in diese Richtung und sei ein bei Politik, Behörden und Umweltorganisationen allgemein anerkanntes Zahlenwerk, wie Hülsmann ergänzte.
Um den Kunststoff-Fokus im Rahmen des EU-Kreislaufwirtschaftspakets ging es beim Vortrag von Dr. Ingo Sartorius (Foto 2), bei PlasticsEurope verantwortlich für Umweltthemen. Seiner Ansicht nach konzentriere sich die Anfang des Jahres vorgestellte EU-Kunststoffstrategie einseitig auf das Lebensende des Werkstoffs. Die Nutzen- und Gebrauchsphase von Kunststoffanwendungen sowie ihre Vorteile zur Schonung von Ressourcen würden in der Diskussion häufig außer Acht gelassen. Drei Problemfelder rund um Kunststoff würden von der EU-Kommission adressiert: Kunststoff als Müll in der Umwelt, die einseitige Fixierung auf fossile Rohstoffe als Produktionsbasis und das zu geringe Recycling. Dabei stehen insbesondere Reuse, Reparatur und Recycling von Kunststoffen im Blickpunkt der Kommission. Dr. Sartorius wies daraufhin, dass die Kunststofferzeuger die EU-Kunststoffstrategie als Schritt in die richtige Richtung sähen, um Lösungen gegen die Vermüllung von Meeren und Umwelt anzustoßen. Europa habe in Bezug auf Wissen, Erfahrungen und Innovation eine Führungsrolle in der Welt in Bezug auf ein nachhaltiges Kunststoffabfallmanagement, allerdings bei der EU-weiten Durchsetzung vorhandener, gesetzlicher Regelungen des Abfallrechts durchaus noch Nachholbedarf. Die Kunststoffindustrie unterstütze Maßnahmen zur Reduktion von Kunststoffabfällen in Umwelt und Meeren. Sie leiste Informations- und Aufklärungsarbeit und verhindere mit der Null-Pellet-Verlust-Initiative ein Austreten von Kunststoffgranulaten in die Umwelt entlang der Wertschöpfungskette. Dr. Sartorius mahnte allerdings auch an, den Blick auf den gesamten Lebensweg eines Produktes zu werfen. Häufig schnitten Kunststoffe in puncto Ressourceneffizienz und CO2-Ausstoß positiver ab als Alternativmaterialien.
Prof. Dipl.-Ing. Clemens Deilmann (Foto 3), Leiter des Forschungsbereichs Ressourceneffizienz von Siedlungsstrukturen beim Leibnitz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden, warf einen Blick auf die Nachhaltigkeit im Bauwesen: Ziel seines Forschungsprojekts ist es, unterschiedliche Abbruch- und Rückbaumaterialien von Ziegeln über Beton bis zu Kunststoffprofilen und -dämmmaterialien nach ihrer Recyclingfähigkeit zu untersuchen. Wie hoch sind die Aufbereitungsaufwände? Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es später? Welche Zielqualitäten müssen dafür erfüllt werden? Dabei gehe es vorrangig um die Suche nach dem effizientesten Weg, gute Recyclingqualitäten innerhalb der diversen Bauproduktgruppen zu erzielen. Hohe Hürden seien heute noch die heterogenen Abfallströme im Bauwesen, die große Herausforderungen für das (Kunststoff-)Recycling bedeuteten, so Deilmann. So müsse anerkannt werden, dass sich manche Abfallfraktionen nicht mehr dafür eigneten, wieder in der gleichen Bauanwendung eingesetzt zu werden, also bspw. als Fenster, Kabelisolierung oder Bodenbelag. Hier müsse ein Downcycling in Betracht gezogen werden, da die im EU-Kreislaufwirtschaftspaket festgeschriebenen Recyclingziele sonst nur schwer zu erreichen seien, schloss Deilmann.
Dem kreativen Umgang mit Prinzipien des Leichtbaus in der Architektur widmete sich Dr.-Ing. Lars Meeß-Olsohn vom Planungsbüro leichtbaukunst. Kunststoffe böten sehr viele Möglichkeiten, um mit wenigen Mitteln komplexe Ideen umzusetzen. Eindrucksvolle Beispiele aus der textilen Architektur wie die Zufahrt-Überdeckung eines Kongresshotels in Düsseldorf zur Aufwertung des historischen Bestands, eine modulare Konzertfreilichtbühne oder eine Tanksäulenbespannung bei einer Tankstelle zeigten, wie flexibel und gleichzeitig sicher Kunststoff und PVC einsetzbar seien. Wandelbare Konstruktionen würden in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewinnen, so der Architekt, wie aktuell ein Wimbledon-Tenniscourt mit Dach, das sich innerhalb von Minuten auf- und zuspannen lässt, zeigten. Denkbar wären künftig auch Einkaufspassagen mit beweglichen Dächern, lichtdurchflutet bei Sonnenschein, geschützt vor Feuchtigkeit bei Regen. PVC- und Polyestermaterialien seien hierfür das Mittel der Wahl, gleichzeitig sehr robust, tragfähig, schallabsorbierend und trotzdem leicht und licht, wie Meeß-Olsohn ausführte.
Einen Blick auf neueste Recyclingtechnologien warf Jochen Mößlein, Geschäftsführer und Gründer der Polysecure GmbH. Sein Unternehmen hat einen neuen Sortier- und Markermechanismus entwickelt, mit dem Kunststoffabfall, der bisher nicht oder schlecht zu trennen war, besser und effizienter sortiert werden kann. Laut Mößlein könnten dadurch mehr spezifische, sortenreine Rezyklate angeboten und bei Neuprodukten eingesetzt werden. Für das Abtrennen von glasfaserhaltigem Mahlgut aus PVC-Fenstern befindet sich diese neue Technologie bereits im Einsatz.
Der nächste Workshop „PVC und Umwelt“ findet am Donnerstag, 10. Januar 2019 im Bonner Leoninum statt.